Wie wertvoll ist das Problem vs. wie teuer ist die Lösung
Aug 01, 2018Ich frage mich immer wieder, warum Menschen im Geschäftsleben Dinge tun, die im Privatleben völlig absurd sind. Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Eines Tages ärgern Sie sich über die horrenden Mietzahlungen für Ihre Wohnung. Ein eigenes Haus wäre doch viel angenehmer! Sie gehen zu einem Architekten und beschreiben ihm Ihr Traumhaus. Der Architekt erstellt einen ersten Entwurf. Sie diskutieren über einige Details, dann aktualisiert der Architekt den Entwurf. Er beauftragt einen Statiker für die Planung. Er beauftragt einen Makler, einen geeigneten Bauplatz zu suchen. Zufrieden präsentiert der Architekt die Ergebnisse. Sie stellen die Gretchenfrage: was kostet das Haus denn? Die Antwort „3,2 Millionen Euro“ schockiert Sie – nein, das können Sie sich auf keinen Fall leisten. Der Architekt, Statiker und Makler sind frustriert, weil sie absehbar für die Tonne gearbeitet haben. Absurd? Im Geschäftsleben passiert genau das.
Ein Fachbereichsmitarbeiter hat eine Idee, wie er ein Problem mit Hilfe von Technologie lösen könnte. Er bittet „die IT“ um eine Kostenschätzung. Basierend auf dem Zweizeiler in der Email ist keine Schätzung möglich. Es wird versucht, die Anforderungen zu detaillieren. Anschließend sitzen Projektleiter, Softwarearchitekt, Entwickler und Designer zusammen, um die Lösung zu entwerfen und zu schätzen. Die Antwort „320.000 Euro“ schockiert den Fachbereichsmitarbeiter – nein, damit ist kein sinnvoller business case möglich. Projektleiter, Softwarearchitekt, Entwickler und Designer sind frustriert, weil sie – mal wieder – absehbar für die Tonne gearbeitet haben.
Was also tun? Nun, wir müssen einfach ein paar Prinzipien aus dem Privatleben in das Geschäftsleben übertragen. Wenn Sie ein Haus kaufen wollen, haben Sie üblicherweise eine Vorstellung, was Sie sich leisten können bzw. was Ihnen das Haus wert ist. Basierend auf dieser Information geht dann die Suche bzw. der Entwurf los. Ein Haus für 200.000 Euro sieht anders aus als ein Haus für 500.000 Euro sieht anders aus als für 1.000.000 Euro. Aber alle Häuser lösen Ihr Problem und Sie vermeiden überflüssige Arbeit von Architekten, Statikern und Maklern.
Auch in der Softwareentwicklung sollten wir mit der Frage starten „was ist uns die Lösung dieses Problems wert“? Mit dieser Information können wir auch anders in die Diskussion mit der IT einsteigen. Wir fragen nicht „was kostet diese Lösung?“ sondern eher „wie sieht eine Lösung aus, die maximal X Euro kostet?“ Auf einmal nutzen wir die Kollegen nicht nur zum Schätzen, sondern auch für die kreative Phase der Lösungsentwicklung. Ja, der Ansatz hat auch Schattenseiten: der Fachbereichsmitarbeiter kann nicht mehr einen Zweizeiler an die IT losschießen, sondern er muss sich zuerst Gedanken über den Wert seines Problems machen. Um diese Gedanken zu strukturieren, habe ich vor einigen Jahren eine Vorlageentwickelt, welche die folgenden Eckpunkte beinhaltet:
- Problem
- Zielgruppe
- Unternehmensvision & Strategie
- Ziele der Problemlösung
- Nutzen der Problemlösung
Welche Erfahrungen habe ich mit der Nutzung dieses Opportunity Assessments gemacht?
- Es fällt vielen Mitarbeitern enorm schwer, zwischen Problembeschreibung und Lösungsidee zu unterscheiden
- Ein Großteil der Opportunities betrifft „gefühlte“ Probleme ohne quantitative Evidenz
- Ein Großteil der Opportunities zahlt nicht auf die Unternehmensstrategie ein
- Die Variante, eine Lösung zu kaufen und nicht selbst zu entwickeln, wird systematisch vernachlässigt
- Es fällt vielen Mitarbeitern enorm schwer, einen quantitativen Nutzen zu ermitteln
Zusammenfassend: Ein großer Teil der Opportunities sind schlicht überflüssig und eine Schätzung des Aufwands nicht notwendig. Es ist anfangs frustrierend für Fachbereichsmitarbeiter, langfristig führt es aber zu besseren Projektideen, einem höheren Mehrwert für das Unternehmen und weniger Frustration bei allen Mitarbeitern, sowohl in den Fachbereichen als auch in der IT.
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