Anwenderbeobachtung zur Problemidentifikation
Jun 26, 2023Es gibt doch diesen schönen Spruch: Greifen wir zum äußersten - sprechen wir miteinander! Diese Idee würde ich gerne etwas erweitern: Greifen wir zum äußersten - schauen wir mal im echten Leben, wie unsere Anwender mit unserem Produkt arbeiten. Denn eine simple und dennoch effiziente Methode zur Identifikation von Problemen und Chancen ist die Beobachtung deiner Anwender. Was genau ich damit meine und wie auch du diese Methoden nutzen kannst, werde ich in diesem Beitrag erläutern.
Die Methode ist tatsächlich genau so simpel, wie sie klingt. Du besuchst deine Anwender und beobachtest sie bei Ihrer Arbeit. Natürlich soll das kein Kaffeekränzchen werden, daher möchte ich dir noch ein paar Punkte mit auf den Weg geben:
- Es lohnt sich, bei der Beobachtung mehrere Perspektiven mitzunehmen. Ihr könntet also beispielsweise dafür sorgen, dass eine Person mit einem eher fachlichen Schwerpunkt und ein Kollege mit eher technischem Schwerpunkt vor Ort ist. Jeder schaut auf die gleiche Situation aus einem anderen Blickwinkel und zieht daher auch andere Schlüsse. Das kann sehr wertvoll sein. Ich möchte explizit dafür werben, Entwickler mit in derartige Gespräche zu nehmen.
- Bei der Beobachtung solltest du mindestens auf die folgenden Phänomene achten:
- Deine Anwender nutzen die Anwendung "umständlich", d.h. sie kommen zwar zum Ziel, aber es gäbe schnellere oder einfachere Möglichkeiten. Hier hast du ggf. einen Ansatzpunkt, um die Dokumentation oder die Schulung zu verbessern.
- Deine Anwender nutzen die Anwendung zwar wie beabsichtigt, aber im Gesamtprozess knirscht es. Das merkst du beispielsweise daran, dass Daten per Papier oder Email übertragen werden. Oder Daten werden aus einer Anwendung in Excel exportiert und dann in einer anderen Anwendung importiert. Oder deine Anwender müssen in Abhängigkeit von irgendeinem Kennzeichen entweder das eine oder das andere tun. Diese Art der Beobachtung wird bei dir zu Aha-Effekten führen. Wichtig: Deine Anwender werden dir nicht sagen, wo es knirscht. Ihre Arbeitsweise ist für sie ja normal. Aber mit etwas Abstand wirst du die Optimierungspotenziale erkennen.
- Deine Anwender nutzen die Anwendung, aber anders als beabsichtigt. Auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen - das riecht nach einer Chance. Vermutlich gibt es weitere Probleme, die du noch gar nicht auf dem Radar hattest, welche die Anwender nun mit Hilfe deiner Anwendung lösen.
- Schließlich lohnt es sich, auch bei den Kollegen vorbei zu schauen, die deine Anwendung nicht nutzen - obwohl sie es sollten. Wie arbeiten sie heute? Warum ist der heutige Weg besser als deine Anwendung? Was fehlt bei deiner Anwendung? Mit hoher Wahrscheinlichkeit findest du auch hier Punkte, über die ihr bei der Weiterentwicklung eurer Anwendung nachdenken könnt.
Wichtig: Hier geht es um die Beobachtung deiner Anwender. Es geht nicht um die Meinung deiner Anwender. D.h., du kannst gerne nachfragen, warum sie auf die eine oder andere Art arbeiten. Aber du solltest gerade nicht fragen, was ihnen fehlt oder wie sie die Anwendung verbessern würden. Vermutlich kannst du gar nicht verhindern, dass dir das erzählt wird - aber schiebe es tendenziell ans Ende des Gesprächs bzw. der Beobachtung.
Kannst du diese Methode immer anwenden? Jein... Wenn du eine interne Anwendung entwickelst, ist es in der Regel kein Problem, deine Kollegen ab und zu zu besuchen. Schließlich arbeitet ihr im gleichen Unternehmen. Etwas schwieriger wird es, wenn ihr eine Anwendung für ein anderes Unternehmen entwickelt. Aber auch hier ist es oft möglich, bei ausgewählten Kunden zu hospitieren - es dient ja dem gemeinsamen Interesse der Verbesserung. Mit Endanwendern solltest du anders umgehen. Eine Beobachtung im "normalen" Umfeld des Anwenders ist schwierig bis unmöglich. Du kannst aber ausgewählte Anwender in ein Lab einladen und sie dort beobachten. Wo ein Wille, da ist auch ein Weg.
Wenn ich diese Methode in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Verlass den Elfenbeinturm und tauch ein in die Lebenswelt deiner Anwender. Du wirst Inspiration finden.
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